Eine Einstellung zur Arbeit
ist ein Projekt, das wir – Antje Ehmann und Harun Farocki – seit 2011 betreiben. In 15 Städten weltweit haben wir Workshops initiiert, in denen Videos produziert werden. Ab Februar 2013 wird es auch eine Serie von Ausstellungen geben, die ausgewählte Resultate der Workshops in einem erweiterten Kontext zeigen. Das Projekt Eine Einstellung zur Arbeit wird im Frühjahr 2015 mit einer Großausstellung und einer Konferenz in Berlin zum Abschluss kommen.
Einschränkungen
In den Workshops geht es darum, Videos von 1 bis 2 Minuten länge zu produzieren, aufgenommen in einer einzigen Einstellung. Die Kamera kann statisch sein, sie kann schwenken oder eine Fahrt machen – nur Schnitte sind nicht erlaubt.
Arbeit
Der Untersuchungsgegenstand ist die ‘Arbeit’: bezahlte oder unbezahlte, materielle oder immaterielle, traditionsreiche so wie die gänzlich neue. In manchen afrikanischen Ländern lebt eine ganze Familie davon, dass sie auf einem Stück Mittelstreifen Ackerbau betreibt. In vielen Ländern der EU leben Landwirte davon, dass sie ihre Felder brach liegen lassen, wofür sie bezahlt werden und was mit Hilfe von Satelliten-Bildern überprüft wird.
Kamera-Arbeit
Formal führt die Aufgabenstellung in die Grundlagen filmischen Arbeitens ein und wirft essentielle Fragen filmischer Verfahren auf. Fast alle Arbeit ist repetitiv. Wie lässt sich ein Anfang und eine Ende finden? Soll die Kamera bewegt oder unbewegt sein? Wie lässt sich die Choreographie eines Arbeitsablaufs in einer einzigen Einstellung am besten und interessantesten einfangen? Zeigt es sich doch: Eine einzige Einstellung von 1 bis 2 Minuten kann bereits eine Narration erzeugen, eine Spannung oder Überraschung. Und genau das ist es, was wir an vielen der Workshop-Arbeiten lieben.
Netzkatalog
Dieser Netzkatalog ist zugleich ein Archiv und versammelt alle im Rahmen der Workshops fertiggestellten Videoarbeiten. Es handelt sich also nicht um eine Auswahl unserer Lieblingsarbeiten, sondern um eine vollständige Dokumentation.
Die Augen öffnen
Eine Einstellung zur Arbeit erfordert es, sich mit der jeweiligen Stadt / Region, in der ein Workshop stattfindet, auseinanderzusetzen. In jeder Stadt gibt es täglich allerhand Arbeitsvorgänge zu beobachten. Schuster, Köchinnen, Ober, Fensterputzer, Krankenpflegerinnen, Tattoo-Künstler oder Müllmänner. Doch häufig findet die Arbeit hinter verschlossenen Türen statt. Es gibt Arbeiten, die nicht nur unsichtbar, sondern auch unvorstellbar sind. Daher gilt es, sich in Recherchen zu vertiefen, die Augen zu öffnen, und sich in Bewegung zu setzen. Wo ist welche Art von Arbeit sichtbar? Was verbirgt sich? Was findet im Zentrum, was an der Peripherie statt? Was ist charakteristisch oder auch ungewöhnlich für die jeweilige Stadt? Welche Arbeitsvorgänge könnten eine kinematographische Herausforderung sein?
Video benutzen wie Film
Wir greifen auf die Methode der frühen Filme im 19. Jahrhundert, etwa die der Lumière-Brüder (Arbeiter verlassen die Lumière-Fabrik, Einfahrt eines Zuges in La Ciotat) zurück, um etwas von der Entschiedenheit der frühen Filme wieder zu gewinnen. Die frühen Filme sagten: jedes Detail der bewegten Welt ist es wert, festgehalten und betrachtet zu werden. Und sie hatten einen festen Standpunkt, während der Dokumentarfilm heute all zu oft aus Unentschiedenheit Einstellung auf Einstellung folgen lässt.
Der Film aus nur einer Einstellung hingegen verbindet Vorbestimmung und Offenheit. Konzept und Kontingenz.
Arbeiter verlassen ihren Arbeitsplatz in 15 Städten
Teil des Projektes ist auch die Produktion von Lumiére-Remakes – übersetzt ins Zeitgenössische – in allen Workshop-Städten. Wo sehen wir was für Arbeiter, die ihren Arbeitsplatz verlassen?